Motto-Essen macht Spaß!
Konzept Motto-Essen
Die Gestaltung des Essens, d. h. die Art des Anrichtens auf dem Teller, übt einen großen Einfluss auf die Wertschätzung und die Akzeptanz des Essens aus. Die Qualität von Restaurants unterscheidet sich auch durch das Niveau des Anrichtens. In gehobenen Restaurants verwendet der Koch hierfür eine beträchtliche Zeit, die auch deutlich mehr als 1/3 der gesamten Arbeitszeit der Zubereitung betragen kann. Wichtig ist die Form der Darbietung, nicht die Menge der Speisen. In der Gemeinschaftsverpflegung wird hierauf keinen großen Wert gelegt; stattdessen werden die einzelnen Komponenten teilweise lieblos auf den Teller gebracht. Häufig schwimmen auch alle Speisekomponenten in derselben Sauce. Das Anrichten von Speisen für Kinder kann aber auch ansprechend gestaltet werden. z. B. indem aus den Speisen ein Gesicht geformt wird.
Im Gegensatz zum Anrichten für Erwachsene zielt das Anrichten für Kinder darauf, ein reales Objekt zu gestalten, zu dem Kinder eine emotionale Beziehung aufbauen können. Dies gelingt umso eher, wenn das Anrichten durch die Kinder selbst erfolgt. In vielen Diskussionen wurde immer wieder das Verbot geäußert, dass Erwachsene häufig in ihrer Kindheit gehört haben: „Mit Essen spielt man nicht!“ Es handelt sich hier aber nicht um Spielen, das Essen wird nicht anschließend weggeworfen. Wie bei dem Essen für Erwachsene wird das Essen attraktiv angerichtet, damit das anziehend ist und Freude auf das Essen hervorruft. Um Kindern eine Beziehung zum Essen zu geben, von dem sie verschiedene Speisekomponenten unter Umständen gar nicht kennen, ist auch das Erzählen von Geschichten oder das Singen von Liedern ein wichtiger Beitrag. Für diese Vorgehensweise wurde der Begriff Motto-Essen geprägt. So bekam in einem Versuch ein angerichtetes Gesicht als Motto den Namen „Willi Wurstgesicht“.
Überprüfung der Wirksamkeit
Zur Überprüfung der Wirksamkeit des Motto-Essens wurden die gleichen Speisekomponenten in 3 Formen Kindern im OGS angeboten; in allen 3 Fällen bestanden die Speisekomponenten aus Kartoffelpüree, buntem Gemüse und Geflügel-Bratwurst. In der 1. Angebotsform wurde keine Veränderung vorgenommen, in der 2. Angebotsform wurde ein DIN A4 großes Blatt mit dem Foto und der Bezeichnung des Essens angeboten. In der 3. Angebotsform wurde ein Plakat mit Willi Wurstgesicht aufgehängt und die Aufgabenstellung den Kindern erläutert.
Einbezogen wurden 417 Kinder in 6 OGS. Gemessen wurde jeweils der Gesamtverzehr der einzelnen Speisekomponenten. Zwischen den Angebotsformen des Essens bestand jeweils eine 4-wöchige Pause.
In der Grafik sind die Ergebnisse der Überprüfung des Motto-Essen zusammengefasst. Der Verzehr des Püree steigt um 33 % an, der Verzehr von Gemüse 40 %. Allerdings hat der Essensrest auch um 20 % zugenommen; die Aufgabenstellung des Anrichtens war für die Kinder offensichtlich so interessant, dass sie mehr Speise genommen haben, als sie verzehren konnten.
Die Zunahme des Verzehrs um 30-40 % insbesondere bei Gemüse ist deutlich. Die von der Konzeption her zu erwartende Veränderung des Verzehrverhaltens der Kinder, wenn sie zum Essen eine emotionale Beziehung aufbauen, lässt sich mit diesen Messergebnissen empirisch bestätigen.
Weiterentwicklung Motto-Essen
Die positiven Erfahrungen bei dem 1. Motto-Essen haben dazu geführt, dass im darauffolgenden Schuljahr in jedem Monat ein anderes Motto-Essen angeboten wurde. Für diese Angebote des Motto-Essens gelten folgende Rahmenbedingungen:
- Anrichten: Keine wesentliche Mehr-Arbeit für OGS-Personal
- Häufigkeit: Gelegentlich (Monat: 1. Freitag im Monat; Woche)
- Schaffung eines kulturellen Rahmens: Bild in der Mensa, Ausmalbilder, Lied, Geschichte vorlesen
Von den Mitarbeitern im OGS wurden in einer Reflexion folgende Erfahrungen benannt:
- Motto-Essen benötigt mehr Zeit
- Atmosphäre angenehm – ruhig
- A4-Plakate hilfreich
- Grüne Gemüse immer kritisch (außer Brokkoli)
- Pause mit Motorik zwischen Unterricht und Essen hilfreich
- Motto-Essen braucht mehr Zeit, kleinere Gruppen
- Motto-Essen wirkt in Alltag (Kinder richten auch an anderen Tagen an)
Fazit:
Insgesamt führt das Motto-Essen dazu, dass die Kinder dem Essen eine größere Aufmerksamkeit schenken. Durch den Austausch der Gerichte, die von den Kindern angerichtet wurden, entsteht eine intensivere Kommunikation und Esskultur. Damit stellt es einen Weg dar, Geschmackspräferenzen von Kindern zu verändern und hin zu Speisen zu führen, die nach den ernährungswissenschaftlichen Empfehlungen den Kindern in der schulischen Gemeinschaftsverpflegung angeboten werden sollen.
Die Entwicklung und Erprobung des Motto-Essens erfolgte mit den beiden Partnern:
AWO Unterbezirk Ennepe-Ruhr
KidS & KinGs
58285 Gevelsberg
AWO Unterbezirk Ennepe-Ruhr
enculina WfbM Stefansbecke
45549 Sprockhövel